Willkommen zurück zum zweiten Teil unserer österlichen Sonderserie „Online-Probe mit dem Weingut Martin Müllen“. Bereits gestern konntet ihr hier auf Einzelhandelaktuell lesen, welche Tropfen vom Weingut aus Traben-Trarbach unter dem Probenmotto „Trockene Weinstile, sind Prädikate noch sinnvoll?“ zur Verkostung anstehen. Heute folgt der Theorie nun die Praxis. Viel Spaß beim „virtuellen Probieren“.
Online-Weinprobe erhält großen Zuspruch
Zusammen mit seinem Sohn führt Martin Müllen freundlich und kompetent durch die virtuelle Weinprobe. Sowohl via YouTube als auch über Facebook sind Interessierte zugeschaltet und verfolgen live die Verkostung. Am Ende der Probe steht fest: Deutlich mehr als 100 Personen haben an diesem Event teilgenommen. Martin Müllen zeigt sich entsprechend erfreut über den guten Zuspruch und sichert zu, auch nach der aktuellen Corona-Krise mit den Online-Weinproben weiterzumachen. Es scheint, dass dieses Format eine fruchtbringende Ergänzung im Marketingkonzept ist, um jenseits vom persönlichen Gespräch vor Ort mit den Kunden in Kontakt zu bleiben.
Rieslingfacetten: Vom Qualitätswein…
Wir starten die Probe mit dem 2017er Riesling Qualitätswein trocken. Der Wein präsentiert sich in einer Flasche mit Schraubverschluss. Dies hat den Vorteil, dass eventuelle Fehltöne durch Kork schon einmal von Vornherein ausgeschlossen werden können. Entsprechend frisch und mit knackiger Säure zeigt sich der Tropfen im Glas. Müllen betont, dass eine markante Säure durchaus als Jahrgangsmerkmal 2017 festzustellen sei. Neben Aromen von gelben und grünen Äpfeln in der Nase überzeugt der Riesling am Gaumen durch eine ausgeprägte Mineralität. Mit 8 Gramm Restzucker ein Ausbund an Frische und Aroma. Und er gewinnt noch an Fülle mit steigender Temperatur im Glas. Müllen junior outet sich sodann auch als jemand, der „kein Kalttrinkfetischist“ ist: „Schlechten Wein lieber kalt trinken, guten besser warm“, so sein Fazit. Und so empfiehlt er auch, diesen Tropfen nicht kälter als mit 8°C zu genießen.
… zum Kabinett und zur Spätlese!
Um einen Überblick zu bekommen, schildere ich zunächst meine Degustationseindrücke der anderen zwei Probenweine. Nach der „Einstiegsklasse“ folgen nun die beiden Prädikate. Der 2017er Riesling Kabinett aus dem Trabener Würzgarten macht seinem Präsikat aller Ehre. Mit gerade einmal 11 % vol. ein wirklich leichter Kabinett-Wein. „Viele Leute haben sich sattgetrunken am hohen Alkohol und wollen einen leichten Wein mit Tiefgang“, konstatiert Müllen. Folgerichtig beeindruckt der vorliegende Riesling mit Frucht und einer deutlich mineralischen Note. Wie für den Jahrgang typisch zeigt sich auch hier wieder eine kräftige Säure. Die Mineralität bezwingt die stolzen 9,3 Gramm Säure, sodass hier tatsächlich beides gegeben ist: Leichtigkeit und Tiefgang. Und absoluter Trinkspaß. Ein Terrassenwein par exellence.
Auch die 2018er Spätlese aus dem Kröver Paradies bedient ihr Prädikat mit Bravour. Eine ziselierte Feinfruchtigkeit, eine milde Säure und eine ungemeine Komplexität im Antrunk bescheren ein besonderes Trinkerlebnis. Der höhere Alkoholgehalt von 12,5 % vol. rührt von dem höheren Zuckergehalt der vollreifen Trauben her. Auch am Folgetag weiß dieser Tropfen noch zu begeistern und flankiert ein Risotto mit grünem Spargel ganz hervorragend.
Mein vorläufiges persönliches Fazit: Alle drei Weine erfüllen meine subjektiven Maßgaben an einen Riesling. Auch die durch das Präsikat definierten Vorgaben werden bedient. Doch was bedeutet dies nun vor dem Hintergrund der Fragestellung der Probe?
Trockene Weinstile, sind Prädikate noch sinnvoll?
Mir persönlich helfen solche Angaben in Form von Prädikats- und Qualitätsstufen generell bei der Entscheidung, welchen Wein ich beim Einkauf anlassbezogen auswähle. Die finale Erkenntnis dieser Online-Probe zeigt aber auch, dass Winzer mit einer eigenen Handschrift ihre eigene Stilistik immer einer Kategorisierung durch die jeweils zuständige Landwirtschaftskammer bevorzugen würden. Soll heißen: Um die eigene subjektive Charakteristik eines Weines durchzubringen, wird ein Wein, der alle Kriterien für einen Qualitätswein (auch mit Prädikat) erfüllt, auch mal als Land- oder Tafelwein deklariert. Nicht, weil er minderer Qualität ist. Sondern weil er den definierten und standardisierten sensorischen Vorgaben einer amtlichen Prüfung nicht standhalten würde. Dies kann beispielsweise durch oxidative Töne geschehen, die beim „Experimentieren“ im Keller entstehen können, aber nicht per se ein Malus sind.
Wer diese Diskussion vertiefend verfolgen und in diesem Zusammenhang das Problem der Höchstmostgewichte näher erläutert wissen möchte, der kann die Online-Probe mit dem Weingut Martin Müllen auf YouTube noch einmal im Detail verfolgen. Auch auf Facebook kann noch einmal nachprobiert werden.
Mein Fazit
Ich persönlich war vorher skeptisch. Inwieweit könnte eine virtuelle Probe das von mir hochgeschätzte persönliche Winzererlebnis oder den direkten Austausch mit Freunden vor Ort ersetzen? Ich muss sagen: Ziemlich gut. Und das nicht nur in Zeiten des Social-Distancing. Ein solches Format eignet sich auch hervorragend, wenn der Terminkalender es nicht zulässt, dass einmal alle an einen gemeinsamen Tisch zusammenkommen können. Auch hinsichtlich des Erkenntnisgewinns bin ich zufrieden. Eine freundliche und fachlich-kompetente Moderation wie durch die Müllens hat diese Probe zu einem echten Erlebnis gemacht. Und auch die „dritte Halbzeit“ im Kreise meiner Freunde via Skype war eine Bereicherung. Mein Fazit: Geselligkeit, Erkenntnis und Genuss 1, Corona 0.
Ich hoffe, unsere österliche Sonderserie zum Thema „Online-Weinproben“ hat euch gefallen und etwas Licht ins Dunkle gebracht. Mein Tipp: Einfach mal ausprobieren. Viel Spaß dabei.