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Zu viele Kinder erhalten zu viel Nahrungsergänzung

Nach 2018 haben Verbraucherschützer erneut das Angebot der Nahrungsergänzungsmittel für Kinder zwischen vier und sieben Jahren geprüft. Das Ergebnis des Marktchecks der Verbraucherzentrale NRW ist ernüchternd. Die Mehrzahl der untersuchten Produkte ist deutlich überdosiert. Zahlreiche Anbieter werben zudem mit unzulässigen Gesundheitsversprechen. Vor allem die „Kinder-Optik“ der Produkte sehen die Fachleute kritisch. Der Vorstand der Verbraucherzentrale NRW Wolfgang Schuldzinski plädiert:„Wir brauchen dringend verbindliche Höchstmengenregelungen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln, am besten nach Altersgruppen differenziert.“

10 Prozent der Kinder erhalten unnötig Nahrungsergänzungsmittel

In Deutschland greift fast die Hälfte der Erwachsenen zu Nahrungsergänzungsmitteln, ohne dass in der Bevölkerung eine allgemeine Unterversorgung mit Nährstoffen vorliegt. Auch Kinder sind in aller Regel ausreichend mit den meisten Vitaminen und Mineralstoffen versorgt. Trotzdem bekommen Studien zufolge etwa zehn Prozent der Zwei- bis 18-Jährigen hierzulande täglich Nahrungsergänzungsmittel von ihren Eltern und/oder Lebensmittel, die mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert sind. „Dabei brauchen Kinder in der Regel überhaupt keine Nahrungsergänzung“, betont Schuldzinski. „Unser aktualisierter Marktcheck belegt, dass weiterhin viele Produkte mit unzulässigen Gesundheitsversprechen (sogenannten Health Claims) werben. Viele Produkte sind zu hoch dosiert oder enthalten Nährstoffe, die nicht nötig sind oder nicht empfohlen werden.“

Eine Vielzahl an Produkten lockt, ist aber nicht sinnvoll

Ganze 23 der 33 untersuchten Produkte liegen klar über den Tagesempfehlungen für Vitamine und Mineralstoffe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für Vier- bis Siebenjährige. 13 der geprüften Produkte erreichen oder überschreiten sogar die vom Bundesinstitut für Risikobewertung vorgeschlagenen sicheren Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel, die für Personen ab 15 Jahren vorgesehen sind.

Dabei „locken“ 20 von 33 Produkten im Marktcheck mit bunten Verpackungen, Tieren oder Comic-Figuren oder versprechen mehr Lebensfreude, Intelligenz oder Lernleistungen. 22 Produkte ähneln in ihrer Form als Gummibonbons sowie mit süßen Geschmacksrichtungen sehr den echten Süßigkeiten. das wiederum verleitet zum Naschen und zu Überdosierung. Das hatte das Landgericht München schon 2021 für unzulässig erklärt.

Zu schlechter Letzt enthalten die überprüften Produkte scheinbar willkürliche Variationen an Mikronährstoffen wie Vitaminen, Folsäure, Biotin, Beta-Carotin und Calcium, Selen, Zink, Magnesium, Eisen, Mangan, Jod und Chrom. Das erscheint Schuldzinski als beliebig und konzeptlos. Es gebe in dieser Hinsicht einfach keinerlei Zulassungsverfahren. Die Verbraucherzentrale NRW fordert schon lange verbindliche Höchstmengen für Nährstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. „Der Gesetzgeber sollte hier dringend tätig werden und die bestehenden Regelungslücken bei Kindernahrungsergänzungsmitteln schließen“, fordert Schuldzinski. Zudem sollte die Lebensmittelüberwachung solche Produkte und deren Werbung stärker kontrollieren.

Die Verbraucherzentrale empfiehlt Eltern

Abwechslungsreiche Kost reicht aus. Zwei große deutsche Studien – DONALD und ESKIMO – zeigen, dass bis auf wenige Ausnahmen die Nährstoffversorgung bei Kindern allgemein gut ist. Nicht gänzlich erreicht werden die empfohlenen Mengen für Folat und die Mineralstoffe Eisen, Jod und Calcium. Das bedeutet aber nicht, dass diese Kinder an einem Mangel leiden. Die Versorgung lässt sich leicht mit herkömmlichen Lebensmitteln wie Getreideprodukten, Kartoffeln, Gemüse, Obst und Milchprodukten sowie Bewegung draußen verbessern. Sorgen in dieser Hinsicht sollte man mit dem Kinderarzt klären.

Nahrungsergänzungsmittel sind zudem keine Medikamente, sondern Lebensmittel, die keine Art Gesundheitsversprechungen zur Vorbeugung oder Linderung geben sollten . Viele der beworbenen Aussagen sind wissenschaftlich nicht bewiesen. Eine Verbesserung zum Beispiel von schulischen Leistungen kann, außer bei einem echten Mangel, durch eine Nährstoffgabe nicht erreicht werden.

In den meisten Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder befinden sich Nährstoffe, mit denen diese in der Regel schon gut versorgt sind. Eine Überversorgung birgt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Bestimmte Stoffe wie Kupfer oder Bor sollten in Kinder-Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nicht enthalten sein, ebenso kein Vitamin A. Wer an einem echten Nährstoffmangel leidet, braucht ein Arzneimittel, das in der Regel von der Krankenkasse bezahlt wird.