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Wenn die tägliche Mahlzeit unbezahlbar wird

Weizen, Soja und andere Agrarerzeugnisse sind in den vergangenen Wochen signifikant teurer geworden. Dramatisch wirkt sich das insbesondere in Teilen Afrikas aus. Die Entwicklung erinnert an die Lebensmittelpreis-Krise vor gut zehn Jahren.

Im Westen Afrikas seien Hunger und Armut aufgrund verschiedener Konflikte bereits auf dem Vormarsch gewesen, berichtet Chris Nikoi, der zuständige Regionaldirektor des Welternährungsprogramms (WFP), gegenüber dem Sender ntv. Doch zur Katastrophe wird diese Entwicklung durch den jüngsten Preissprung wichtiger Grundnahrungsmittel. „Der unerbittliche Anstieg der Preise wirkt als Multiplikator, der Millionen tiefer in Hunger und Verzweiflung treibt.“ Laut WFP kosten Grundnahrungsmittel in der Region derzeit etwa 40 Prozent mehr als im langjährigen Durchschnitt, an manchen Orten seien es aber auch bis zu 200 Prozent.

Preisanstieg in den Industrieländern weniger stark merklich

Wie ntv.de weiterhin berichtet, ist die Entwicklung, die Nikoi für Westafrika beschreibt, weltweit zu spüren – allerdings nicht mit derselben Dramatik. In den Industrieländern bisher weitgehend unbemerkt sind die Preise für einige der weltweit wichtigsten Grundnahrungsmittel stark gestiegen. Weizen verteuerte sich an der weltgrößten Warenterminbörse in Chicago innerhalb der vergangenen zwölf Monate um knapp 40 Prozent. Sojabohnen, die nicht nur in vielen Regionen Grundnahrungsmittel, sondern als Futtermittel auch wichtig für die Fleischproduktion sind, kosten aktuell 85 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Der Anstieg hält seit nahezu einem Jahr an, besonders heftige Sprünge sind bei vielen Agrarprodukten in den letzten zwei bis drei Wochen zu beobachten. Der Bloomberg Agriculture Spot Index, der die Preise wichtiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse abbildet, ist auf den höchsten Stand seit rund neun Jahren gestiegen. In den Jahren 2008 bis 2012 hatten sich Grundnahrungsmittel ebenfalls in mehreren Preisschüben stark verteuert, was in einigen Ländern nicht nur zu mehr Hunger und Armut, sondern auch zu politischen Unruhen geführt hatte.

Protektionismus als Brandbeschleuniger

Einer der Gründe für die Entwicklung heute wie damals sind die anziehenden Energiepreise, die Produktion und Transport von Lebensmitteln verteuern. Dazu steigt die Nachfrage vor allem aus China. So stiegen die Soja-Importe Chinas aus den USA im vergangenen Jahr nach einer Einigung zwischen den Regierungen in ihrem Handelsstreit um 50 Prozent. Gleichzeitig melden wichtige Agrarproduzenten wie Brasilien und die USA Einbrüche bei den Erträgen durch extreme Wetterlagen in den vergangenen Monaten.

Regierungen tragen, wie auch schon in den vergangenen Krisen, teilweise dazu bei, die Lage zu verschärfen. Unter anderem Russland, der weltgrößte Weizenexporteur, schränkte den Export einiger Agrarprodukte ein. Protektionistische Maßnahmen wie Ausfuhrverbote galten als Brandbeschleuniger, der die Preisentwicklung ab 2007 krisenartig anheizte.

Spürbar sind die steigenden Lebensmittelpreise auch in den Industrieländern wie Deutschland, wo sie zu einer – allerdings von moderatem Niveau aus – anziehenden Inflation beitragen. In Entwicklungsländern machen Nahrungsmittelpreise nicht nur einen viel größeren Anteil der Lebenshaltungskosten der Bevölkerung aus. In vielen Fällen ist das Einkommen der Menschen und der Wert der lokalen Währungen durch die Corona-Krise gesunken. Da Lebensmittelimporte meist in Dollar bezahlt werden müssen, steigt der Preis für die Verbraucher in diesen Ländern noch einmal stärker. „Für Millionen bereits notleidende Familien rücken die rapide steigenden Preise eine einfache Mahlzeit außer Reichweite“, warnt WFP-Direktor Nikoi.