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Vom Acker bis zum Teller: Weniger Gemüse verschwenden

Vieles, was noch essbar wäre, bleibt schon bei der Ernte auf den Äckern oder wird vom Handel nicht angenommen und zu Abfall. Es entspricht den Anforderungen des Handels, die aufrechte Blättern am Kohlrabi oder ein Mindestgewicht beim Salat fordern, nicht. „Eine große Chance für das Verringern von Lebensmittelabfällen und Stickstoffeinsatz im Freilandgemüseanbau liegt bei den Qualitätsanforderungen, die an das Produkt gestellt werden“, erklärt Dr. Hendrik Führs von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Verzichte der Handel auf bestimmte Vorgaben, ließen sich viele Lebensmittel retten. Das hätte viele Vorteile für Erzeuger, Verbraucher und den Einzelhändler selbst. In einem Projekt mit der Hochschule Osnabrück, Gemüseanbaubetrieben und EDEKA Minden-Hannover soll jetzt ein Umdenken im Freilandgemüseanbau bis hin zum Verbraucher angestoßen werden. Es soll das Verschwenden von Lebensmitteln sowie den Einsatz von Düngemitteln eindämmen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert fachlich und finanziell mit 498.000 Euro.

Strenge Kriterien im Lebensmitteleinzelhandel

Die vom Lebensmitteleinzelhandel angewendeten Qualitätskriterien für Freilandgemüse überstiegen die vom Staat festgelegten häufig, so DBU-Referentin für Lebensmittel, Dr. Susanne Wiese-Willmaring. In dem Wettbewerbskampf im Einzelhandel in dem Segment setze man sich mit höheren Qualitätsstandards von anderen Anbietern ab. Verbraucher hätten sich an diese Standards gewöhnt. Der Handel stelle zusätzliche Anforderungen: zum Beispiel hinsichtlich Größe, Gewicht oder Farbe des Gemüses. Ein Teil der Ernte werde deswegen direkt auf den Äckern gelassen oder zurückgeschickt. Und das, obwohl die Ware nach staatlichen Kriterien vermarktungsfähig gewesen wäre. Das führe zu einem erhöhten Nährstoffgehalt im Boden und dem Verschwenden essbarer Lebensmittel.

Zu klein, zu leicht, zu hässlich

„Bei Kohlrabi besteht beispielsweise die Anforderung, dass Landwirte ihn mit frischen, senkrecht stehenden Blättern liefern“, so Führs. „Dafür müssen sie  unter Umständen vor der Ernte noch zusätzlich düngen. Dieses Vorgehen steigert die Qualität des Kohlrabis aber nicht, sondern senkt sie sogar.“ Das Laub trage zu einem schnelleren Frischeverlust der Knolle bei. Der Verkauf ohne die grünen Blätter, die zumeist vom Verbraucher nicht verarbeitet werden, würde eine umweltgerechtere und ressourcenschonendere Produktion ermöglichen. Eine weitere Anforderung, zum Beispiel bei Brokkoli oder Salaten, seien bestimmte Mindestgewichte. Der zunehmende Anteil von Ein- oder Zweipersonenhaushalten biete aber auch leichteren Exemplaren gute Vermarktungschancen.

Auf zu hohe Anforderungen verzichten

Die Grundlage des Projektes ist der Verzicht des Handels auf die eigenen Qualitätskriterien für die Gemüsearten Kohlrabi, Brokkoli, Salat und Blumenkohl. Führs beschreibt: „Durch die Aufnahme von Erntedaten auf dem Feld und im Betrieb wollen wir ermitteln, wie viel Verluste man einsparen kann.“ Gleichzeitig wolle man zudem prüfen, wie viel Stickstoffdünger verzichtbar wäre, um weiterhin den staatlichen Qualitätsnormen zu genügen und die Akzeptanz der Verbraucher zu erhalten.

Verbraucherverhalten untersuchen

Die angedachten Maßnahmen würden im Einzelhandel ein verändertes Aufmachen der Produkte zur Folge haben. Inwieweit die Kunden das annähmen und akzeptierten und wie ein Umdenken zu fördern sei, ermittele das Projekt ebenfalls. „Werden die Lösungsansätze erfolgreich umgesetzt, kann das weitreichende Systemänderungen im regulären und ökologischen Freilandgemüseanbau anstoßen und auf mehreren Ebenen der Umwelt zugutekommen“, betont DBU-Generalsekretär Alexander Bonde.