Vor einigen Tagen verkündeten Aldi Nord und Aldi Süd sukzessive das Billigfleisch aus den Kühlungen verbannen zu wollen. In diesem Jahr solle bereits die Prozentzahl des Fleisches, dass aus den Haltungsstufen 3 und 4 stammt, erhöht werden. Bis 2030 sollen die Produkte aus den Haltungstufen 1 und 2 gänzlich verschwunden sein. Seitens des Unternehmens hieß es, man gehe als Vorreiter ein hohes Risiko ein, besonders wenn die Konkurrent diesen Schritt nicht mitgehe. Allerdings ist keine Sorge mehr angebracht – die Konkurrenz geht mit.
Mehr Tierwohl ein gemeinsames Ansinnen
Keine Woche nach dem Aldi-Vorstoß lassen auch die anderen Lebensmittelhändler verlauten, Ihr Fleischsortiment umstellen zu wollen. Zum Wochenende schrieb die Rewe-Group: „Die Rewe Group hat bereits 2019 sämtliches Eigenmarken-Geflügelfrischfleisch auf Haltungsformstufe 2 und höher umgestellt, Schweinefleisch wird ab Juli folgen. Bis Ende 2030 streben Rewe und Penny an, im gesamten Eigenmarken-Frischfleischsortiment (Schwein, Rind und Geflügel) ausschließlich Haltungsformstufe 3 und 4 anzubieten.“ Man freue sich, dass sich die Branche zu diesem Weg entschieden hat.
Auch Edeka und die Tochter Netto sowie Kaufland schließen sich an. Während Edeka zwar das Vorhaben mitgeht, hält man sich mit konkreten Daten zurück. Kaufland fahre mit dem „Wertschätze“-Programm schon eine Tierschutz-Initiative, die den Verkauf von Schweine- und Geflügelfleisch der Haltungsform drei an allen Frischetheken vorsieht. Noch im Juli soll Frischfleisch vom Schwein ausschließlich ab Stufe zwei zu erhalten sein. Bis 2023 möchte Kaufland in Kooperationen mit Landwirten das Schweinefleisch-Sortiment der Stufen drei und vier verdoppeln. Dieses Vorhaben ist ebenfalls für Geflügelprodukte geplant.
Zwei Seiten der Medaille
Der Schritt zu besseren Haltungsformen ist gewünscht. Das Billigfleisch aus dem Sortiment zu nehmen ist auch eine Imagefrage. Das Vorhaben wirft natürlich ein gutes Licht auf die Händler. Allerdings: die massenhafte Umstellung der Haltung wird zur Mammutinvestition. Aktuell ist der Markt darauf ausgelegt, dass Fleisch der Haltungsstufen 1 und 2 in rauen Mengen vorhanden ist. Produkte der Haltungsstufen 3 und 4 – Frischluft- und Biohaltung – ist eine „absolute Marktnische“, so Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Stellt der gesamte Handel den Verkauf des „Billigfleisches“ ein, müssen allein Produkte aus den hohen Haltungsstufen die immense Nachfrage decken. „Wenn das Angebot in diesem Segment weiterentwickelt werden soll, sind in der Tierhaltung massive Investitionen erforderlich.“ Dies seie nur durch hohe Zahlungen des Handels und Investionen und Subventionen aus der Politik möglich.
Mehr Tierwohl gleich höherer Preis
Dass mit der Verbesserung der Bedingungen in der Tierhaltung auch mehr Haltungskosten und somit höhere Produktpreise einhergehen, sollte klar sein. Aldis Managing Director Buying Lars Klein teilte mit: „Wir gehen ein hohes finanzielles Risiko bei unserem Vorhaben ein. Denken aber, dass das der wichtige Schritt ist. Wir wissen [aber] aus Umfragen, dass unsere Kunden bereit sind, mehr Geld für Fleisch auszugeben.“ Und tatsächlich geben mehrere Umfragen – das ergab zuletzt auch eine Umfrage der Unternehmensberatung Simon-Kucher – den Willen der Kunden an, für mehr Tierwohl auch mehr zahlen zu wollen.