Cem Özdemir, Minister für Ernährung und Landwirtschaft, stellte sein Gesetzesvorhaben für mehr Kinderschutz in der Werbung vor. Die Werbung erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder zu viel zucker-, salz- oder fetthaltige Nahrung zu sich nehmen. In der Politik, der Wirtschaft, Verbraucherverbänden und Gesundheitswesen wird das Thema der Werbeverbote heftig diskutiert.
Das Gesetzesvorhaben
Cem Özdemir meinte in seiner Vorstellung zum Gesetzesvorhaben: „Neben ausreichend Bewegung und entsprechenden Angeboten braucht es eine möglichst gesunde Ernährungsumgebung, dafür sind klare Regeln unumgänglich.“ Letztlich solle nach Art, Inhalt oder Gestaltung an Kinder adressierte Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll nicht mehr zulässig sein. Das gelte für das Fernsehen – besonders zwischen 6 und 23 Uhr – aber auch Sponsoring im Kinder- und Jugendlichenbereich sowie Plakatwerbung im Umkreis von Schulen, Kindergärten oder Freizeiteinrichtungen für junge Menschen. Die Beurteilung eines hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren. Mehr Informationen.
Der Lebensmittelverband – helfen Werbeverbote wirklich? Viele Akteure sind in der Pflicht!
Der Lebensmittelverband fügt scharfe Kritik an dem Vorhaben an. Zum einen weist Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands, die Unterstellungen Özdemirs zurück, in denen er sagte, dass die Lebensmittelwirtschaft „Geld damit verdient, in dem man die Gesundheit der Kinder ruiniert“. Des Weiteren aber gebe es keine genaue Definition, was „an Kinder gerichtete Werbung“ überhaupt sei. Zu guter Letzt wissenschaftliche Zusammenhänge zwischen der Werbung und der Ernährung geben. Es gebe „keine belastbaren wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit der Werbebeschränkungen auf die Gesamternährung und die Entwicklung von kindlichem Übergewicht existieren. Zu diesem Ergebnis kommt übrigens auch die wissenschaftliche Behörde des BMEL, nämlich das Max Rubner-Institut (MRI)“, schreibt der Lebensmittelverband in seiner Pressemitteilung. Letztlich sei „jedes adipöse Kind mit Blick auf die gesundheitlichen und psychischen Langzeitfolgen eins zu viel“, aber es bedarf der Pflicht vieler Akteure, „ein gesundes Umfeld für Kinder zu schaffen.“
Auch die Deutsche Süßwarenindustrie führt die fehlenden messbaren Zusammenhänge von Werbung und Fettleibigkeit an. Vor diesem Hintergrund sei das Werbeverbot absolut „unverhältnismäßig“.
Gesundheits- und Verbraucherverbände – der richtige Schritt
Der AOK-Bundesverband, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) fordern gar umfassende Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. „Wir begrüßen es, dass an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel endlich unterbunden wird. Die Zeit der wirkungslosen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie ist passé“ sagte Barbara Bitzer, Sprecherin des Wissenschaftsbündnisses DANK, dem unter anderem der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) angehören. in einer Pressemitteilung des Verbraucherzentrale Bundesverbands im Jahr 2022.
Auch Barbara Blitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft appelliert an die Koalitionspartner, „die gut durchdachten Pläne des Ministers zu unterstützen.“
Die Politik – Zustimmung und Kritik aus der Koalition
Innerhalb der Ampelkoalition trifft Özdemir weitgehend auf Zustimmung. Schon im Koalitionsvertrag hatten die Grünen auf diesen Punkt Wert gelegt. Des Weiteren ist hat die Koalition eine „Ernährungsstrategie“ verfasst zu dem auch dieser Punkt zählt. Dass dennoch auch Gegenstimmen kommen, war zu erwarten, vor allem von der FDP.
Die FDP-Fraktionsvize Carina Konrad äußerte sich klar und meinte, dass die Abschirmung von Kindern durch das pauschale Werbeverbot die eigentlichen Kernprobleme ungesunder Ernährung nicht löst. „Für eine solche Politik gibt es keine Mehrheit“, sagte sie der Bild.