Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) blickt auf eine weitgehend stabile Bilanz zurück. Die Produktionsmenge lag 2021 knapp über Vorjahresniveau (+1,3 %), der Umsatz stieg um +2,2 %. Allerdings spiegelt die statistische Datenlage die wirtschaftlich deutlich angespannte Situation der Branche nicht wider. Die Pandemie und teils dramatische Preissteigerung in nahezu allen Wertschöpfungsbereichen machen den über 200 industriellen Herstellern von Süßwaren und Knabberartikeln in Deutschland zu schaffen. Auch das Ostergeschäft ist in Gefahr.
Rohstoff-Teuerung macht deutscher Süßwarenindustrie zu schaffen
Derzeit erleben die Unternehmen an allen Stellen – Rohstoffe, Verpackungen, Logistik, Energie, Arbeitsschutz und Personal – enorme Kostensteigerungen. Diese Belastungen sind in dieser Form bislang einmalig. Der Weizenpreis kletterte am Warenterminmarkt binnen eines Jahres um 50 Prozent auf ein neues Allzeithoch. Auch die Kosten für Milchpulver, Zucker, Sonnenblumen- oder Sojaöl sind aufgrund niedrigerer Ernteerträge und geringerer Import- und steigender Exportmengen gestiegen.
Für die Verpackungsmaterialien sowie die Bereiche Logistik und Energie entstehen zudem Kostensteigerungen. Der Strompreis für Industriekunden hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Auch für CO2 erhöhten sich die Abgaben. Transportkosten steigen, da viele Firmen haben aufgrund des zeitweise brachliegenden Welthandels Kapazitäten und Bestände abgebaut haben. Diese können die sprunghaft steigende Nachfrage kaum kompensieren. Der Transport eines Standard-40-Fuß-Containers von Shanghai nach Rotterdam kostete laut World Container Index im Dezember 2021 noch rund 2.000 US-Dollar. Im Dezember 2021 waren es fast 10.000 US-Dollar.
Folgen für das Ostergeschäft? Dr. Carsten Bernoth, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie
„Der Markt für wichtige Rohstoffe ist leergefegt, langjährig bestehende Lieferketten funktionieren nicht mehr. Dies kann auch Folgen für das bevorstehende Ostergeschäft haben. Gegebenenfalls können nicht alle beliebten Produkte wie Schoko-Hasen wie geplant produziert werden. Besonders zu spüren bekommen die Hersteller deutliche Preiserhöhungen. Teilweise sind auch Lieferschwierigkeiten beim Einkauf agrarischer Rohstoffe, aber auch bei Verpackungsmaterialien in Kauf zu nehmen. Die Belastungsgrenze ist erreicht. Die Politik ist jetzt gefordert, insbesondere mittelständische Unternehmen vor weiteren kostspieligen und bürokratischen Belastungen zu schützen. Ansonsten droht mittelfristig der Verlust der sich bislang als robust erwiesenen mittelständischen Wirtschaftsstruktur in Deutschland“, so Dr. Carsten Bernoth weiter.
Zunehmender Mangel an Fachkräften
Die Süßwarenindustrie ist in allen Regionen Deutschlands ein bedeutender und stabiler Arbeitgeber. Die deutsche Süßwarenindustrie beschäftigte als viertgrößte Branche in der Ernährungsindustrie im Jahr 2021 rund 50.000 Mitarbeiter. Doch gestaltet sich die Rekrutierung von Fachkräften für Produktion, Logistik und Vertrieb derzeit schwer. Ein weiteres Problem: Durch die starke Ausbreitung der Omnikron-Variante steigen auch bei Süßwaren- und Knabberartikelherstellern die Krankenstände stetig. In Einzelfällen gibt es schon jetzt Lieferengpässe durch Corona-Ausbrüche. Sogar Saisonarbeitskräfte sind kaum zu bekommen.
Wehrmutstropfen Exportgeschäft
Das für die deutsche Süßwarenindustrie so wichtige Exportgeschäft (Exportanteil in der Menge von über 50 Prozent) mit Süßwaren und Knabberartikeln konnte sich im Jahresverlauf 2021 erholen. Die Branche verzeichnet trotz Corona-Krise und Brexit ein Exportplus von 3,4 Prozent zum Vorjahr (schätzungsweise 2,3 Mio. t Süßwaren und Knabberartikel) und eine Zuwachs im Exportumsatz von 4,2 Prozent (rund 8,9 Mrd. Euro). Trotzdem hat die Bedeutung des Vereinigten Königreiches als Exportmarkt mit einem Minuswert von 6 Prozent stark abgenommen.
Sorge vor weiterer Zersplitterung des Binnenmarktes
Durch den Brexit hat der europäische Binnenmarkt rund 67 Millionen Verbraucher verloren. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten etwa bei der Nährwertkennzeichnung, der Umwelt- bzw. Recyclingkennzeichnung eigene Wege beschreiten. Dies bedeutet im schlimmsten Fall, für jeden Mitgliedstaat eine eigene Verpackung vorzuhalten. Dies wurde zuletzt beim Nutri-Score deutlich. „Wir als mittelständische Branche fordern, dass hier die europäische Politik wieder einheitliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen schafft. Sonst droht eine Marktbereinigung zulasten kleinerer und mittelständischer Unternehmen über die nationalen Gesetzgebungen“, so Dr. Carsten Bernoth.
Innovationen 2022 – leckere Produkte für die kleinen Freuden im Alltag
Die Süßwarenindustrie gehört zu den besonders innovativen Branchen. Auch 2022 ergänzen zahlreiche Neuheiten die traditionellen Verkaufsschlager. Unter den Innovationen sind komplett neue Artikel sowie in Zucker, Fett bzw. Salzgehalt reduzierte, vegane, gluten- und laktosefreie Erzeugnisse. Im Trend liegen Anfang 2022 Produkte mit natürlichen Zutaten wie Nüssen, getrockneten Beeren oder Sesam – oftmals mit pflanzlichen Proteinquellen. Immer mehr Marken im Knabber-Regal greifen verbraucherrelevante Aspekte wie Natürlichkeit und Convenience in ihrem Sortiment auf.
Zu den gesamtgesellschaftlichen Trends gehören Nachhaltigkeit und Klimaschutz, wozu auch die deutsche Süßwarenindustrie ihren Beitrag leistet. Die Nachhaltigkeitsanstrengungen der Branche sind nicht nur bei neuen Rezepturen, dem Einsatz zertifizierter Rohstoffe und den Herstellungsprozessen, sondern auch im Bereich Verpackungen zu beobachten. Viele Unternehmen testen vermehrt alternative Verpackungsmöglichkeiten oder erhöhen den Rezyklatanteil.
Starkes Engagement der deutschen Süßwarenindustrie für Nachhaltigkeit
Der Einsatz von nach Nachhaltigkeitsstandards zertifizierten Rohstoffen in Süßwaren und Knabberartikeln wird von der deutschen Süßwarenindustrie seit vielen Jahren intensiv vorangetrieben. Dies gilt insbesondere für Kakao. Im Jahr 2020 erreichte der Anteil an zertifiziertem Kakao 77 Prozent. Bei der ersten Erhebung des BDSI für das Jahr 2011 lag dieser Anteil bei nur ca. 3 Prozent. Weiterhin engagiert sich der BDSI intensiv im „Forum Nachhaltiger Kakao“, einer 2012 gegründeten Gemeinschaftsinitiative. Die Süßwarenindustrie ist somit auf einem sehr guten Weg. Dies gilt auch für das in der Süßwarenproduktion eingesetzte Palmöl bzw. Palmkernöl. 94 Prozent des in der deutschen Süßwarenindustrie verwendeten Palmöls ist bereits zertifiziert. Auch in der Multistakeholder-Initiative „Forum Nachhaltiges Palmöl“ gehört der BDSI zu den engagierten Mitgliedern.
Entwicklung bei den einzelnen Produktgruppen (BDSI-Schätzungen)
Schokoladewaren: In Deutschland wurden ca. 1,2 Mio. t Schokoladewaren produziert (+2,7 %). Der Produktionswert stieg um etwa +5,4 % auf rund 5,9 Mrd. €. Der Export von stieg in der Menge (+0,2 %) wie auch im Wert (+2,3 %).
Feine Backwaren: Die Produktion von Feinen Backwaren sank um -4,1 % auf 740.000 t feine Backwaren. Wertmäßig sank die Produktion um -1,3 % auf rund 2,2 Mrd. Euro. Die Exportmenge ging um -0,4 % zurück. Ihr Wert hingegen stieg um +3,0 %.
Bonbons und Zuckerwaren: Die Produktionsmenge stieg um 4,0 % auf 598.000 t, im Wert um +2,2 % auf ca. 1,6 Mrd. Euro. Bonbon- und Zuckerwarenexporte verzeichnen einen Zuwachs von +8,3 % in der Menge und +7,3 % im Wert.
Knabberartikel: Die Produktionsmenge sank um -1,0 % auf rund 372.000 t. Im Wert sank die Produktion um -0,1 % auf etwa 1,7 Mrd. Euro. Die Exporte entwickelten sich ebenfalls negativ und sanken gegenüber dem Vorjahr um -5,7 % in der Menge und -4,8 % im Wert.