Die deutsche Fleischindustrie steht nach mehreren Corona-Ausbrüchen im Fokus der Öffentlichkeit. Erst war und ist es Tönnies, in deren Betrieb sich über 1000 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infizierten. Darauf folgte ein Geflügel-Schlachtbetrieb, der für Wiesenhof produziert mit weiteren auffällig hohen Fallzahlen. Dennoch geht es der Fleischindustrie in diesem Jahr erstaunlich gut, wie das statistische Bundesamt erklärt.
Die Branche entwickelt sich weiter positiv – erzielte im März sogar Rekorde
Im Schlachterei- und Fleischverarbeitungsgewerbe erwirtschafteten die 563 Betriebe mit 50 oder mehr Beschäftigten im Jahr 2019 rund 39,7 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Anstieg um 7,9 %. 2018 waren es noch 36,8 Milliarden Euro. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, setzt sich der Trend auch 2020 fort: Von Januar bis April 2020 stiegen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,8 % auf 14,2 Milliarden Euro (Januar bis April 2019: 12,3 Milliarden Euro). Im März 2020 erzielte die Branche einen Umsatzrekord von 3,9 Milliarden Euro. Dies ist der höchste Monatswert seit Bestehen der Erhebung.
Von März 2020 auf April 2020 gingen die Umsätze um 12,1 % zurück, erreichten aber immer noch das Niveau des Vorjahresmonats. Insgesamt hatte die Fleischindustrie im Jahr 2019 einen Anteil von 27,5 % am Umsatz des Ernährungsgewerbes.
Mehr als die Hälfte des Umsatzes der Fleischindustrie (52,5 %) entfiel im April 2020 auf die 390 Betriebe der Fleischverarbeitung. Der Rest entfiel auf das Schlachtgewerbe: Hier hatten die 135 Schlachtbetriebe ohne Geflügel einen Anteil von 37,1 % am Gesamtumsatz, der Anteil der 41 Geflügelschlachtbetriebe lag bei 10,5 %.
Im April 2020 arbeiteten in Schlachterei- und Fleischverarbeitungs-betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten insgesamt rund 100 000 Personen.
Nachfragesog aus China verantwortlich für Umsatzrekord
Für den Umsatzrekord der Fleischindustrie im März 2020 sorgten steigende Erzeugerpreise für Schweinefleisch. Sie wurden ausgelöst durch einen großen Nachfragesog aus China. Dort grassiert seit Längerem die Afrikanische Schweinepest. Sie breitet sich seit August 2018 in China aus. Zwar gilt sie als ungefährlich für Menschen und andere Tiere, hat aber die Bestände an Schweinen dort drastisch reduziert und die Nachfrage auf dem Weltmarkt erhöht.
Schon bevor Sars-CoV-2 Anfang Januar 2020 als ein neuartiges Coronavirus identifiziert wurde, erreichten die Ausfuhren von Schweinefleisch nach China einen Höchstwert: Im November 2019 wurden 53 000 Tonnen Schweinefleisch im Wert von 160 Millionen Euro exportiert.
Trotz der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen des internationalen Güterverkehrs nahmen die Exporte von Schweinefleisch nach China zu. Auch nache einem Rückgang zu Jahresbeginn stieg der Transport von Februar bis April 2020 wieder an. Insgesamt exportierte Deutschland von Januar bis April 2020 rund 158 000 Tonnen Schweinefleisch im Wert von 424 Millionen Euro in den asiatischen Staat. Damit haben sich die Exporte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mengenmäßig mehr als verdoppelt. Wertmäßig hat sich der Zuwachs verdreifacht (Januar bis April 2019: 73 000 Tonnen / 126 Millionen Euro).
Insgesamt sind die Schweinefleischexporte aus Deutschland von Januar bis April 2020 mengenmäßig um 1,2 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Ausgeführt wurden 593 000 Tonnen im Wert von 1,7 Milliarden Euro (Januar bis April 2019: 600 000 Tonnen / 1,3 Milliarden Euro). Wertmäßig bedeutete das eine Steigerung um über 31 %.
Dementsprechend erhöhte sich der Anteil der Exporte nach China deutlich. Im April 2020 ging ein Drittel (33,1 %) des aus Deutschland exportierten Schweinefleischs nach China. Zum Vergleich: Im April 2019 waren es 14,0 % und im April 2018 lag der Anteil der Schweinefleischexporte nach China noch bei 10,0 %.
Effekt bei Erzeuger-, Ausfuhr- und Einfuhrpreisen sowie Verbraucherpreisen von Schweinefleisch sichtbar
Die hohe Nachfrage aus China aufgrund der Schweinepest und die daraus resultierende Angebotsverknappung hatte im Jahr 2019 einen preistreibenden Effekt. Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf die Erzeugerpreise, Einfuhr- und Ausfuhrpreise, sondern macht sich auch im Portemonnaie der Verbraucherinnen und Verbraucher bemerkbar.
Bei den Erzeugerpreisen, Einfuhr-und Ausfuhrpreisen war der bisherige Höchstwert im Dezember 2019 erreicht: Die Erzeugerpreise für Schweinefleisch lagen im Dezember 2019 um 41,5 % über dem Stand von Dezember 2018, die Einfuhrpreise waren um 46 % höher und bei den Ausfuhren kam es zu einer Preissteigerung von 37,1 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. Von Januar bis Mai 2020 sind die Preise Corona-bedingt – unter anderem aufgrund zwischenzeitlich geschlossener Restaurants – deutlich gesunken.
Schweinefleisch für Verbraucherinnen und Verbraucher überdurchschnittlich verteuert
Verbraucherinnen und Verbraucher mussten für Schweinefleisch von Mai 2019 bis Mai 2020 einen überdurchschnittlichen Preisanstieg von 11,2 % hinnehmen. Auch die Preise für Fleisch- und Wurstwaren stiegen im gleichen Zeitraum um 11,8 %. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel erhöhten sich im selben Zeitraum um 4,5 %, die Verbraucherpreise insgesamt stiegen um 0,6 %.
Methodische Hinweise:
Umsatz- und Beschäftigtenzahlen sowie Anzahl der Betriebe stammen aus dem Monatsbericht im Verarbeitenden Gewerbe. Es handelt sich um eine Konjunkturerhebung mit einem Berichtskreis von Betrieben mit 50 Beschäftigten und mehr. Nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) erfolgte die Auswertung nach der WZ-Nummer „10.1 Schlachten und Fleischverarbeitung“, untergliedert in 10.11 Schlachten (ohne Schlachten von Geflügel), 10.12 Schlachten von Geflügel sowie 10.13 Fleischverarbeitung.
Gegenstand der Außenhandelsstatistik ist der grenzüberschreitende Warenverkehr Deutschlands mit dem Ausland. Die zugrundeliegende Warennummer bei den Schweinefleischexporten ist die Warennummer 0203 „Fleisch von Schweinen, frisch, gekühlt oder gefroren“.
Die vollständige Pressemitteilung sowie weitere Informationen und Funktionen sind im Internet-Angebot des Statistischen Bundesamtes unter https://www.destatis.de/pressemitteilungen zu finden