Während die Nonfood-Branche schon längst ums Überleben kämpft, erhöht sich nun auch die Nervosität im Lebensmitteleinzelhandel. Trotz des Corona-bedingten Nachfrage- und Umsatzschubs der letzten Wochen kehrt bei Handelsmanagern zunehmend realistische Skepsis ein. „Wir stehen erst am Anfang der Krise“, erklärt beispielsweise EDEKA-Chef Markus Mosa gegenüber der Lebensmittelzeitung. Droht also auch dem LEH der Abschwung?
Realer Abschwung oder „Abschwung des Booms“?
Der ökonomische Abschwung in anderen Branchen werde auch am Lebensmitteleinzelhandel nicht spurlos vorbeiziehen. Soweit die Mutmaßungen. Denn: „Die Verbraucher in Deutschland werden in den kommenden Wochen und Monaten auch beim Einkauf von Lebensmitteln wieder preissensibler werden“, befürchtet Moser. Auch ihm ist klar, dass der aktuelle Boom nicht ewig anhalten wird. In Relation betrachtet, ist das Ausmaß des erwarteten Abschwungs jedoch als weitaus weniger bedrohlich zu werten als beispielsweise in der Automobilbranche oder im Nonfood-Handel. Denn schließlich erleben die momentan keinen Boom. Und wenn „preissensibel“ bedeutet, dass jedermann wieder gewohnte Mengen an Lebensmitteln kauft und infolgedessen auch wieder mehr auf den Preis achtet, weil „hamstern“ nicht mehr als notwendig erachtet wird, dann ist gegebenfalls nur von einem Abschwung des Booms zu sprechen.
Kunden werden mittelfristig definitiv weniger im Portemonnaie haben
Lohneinbußen durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder auch große Vorräte, die in den letzten Wochen angelegt wurden, werden die künftige Nachfrage begrenzen. Ohne Zweifel, denn ein nicht unerheblicher Teil der Kunden werden mittelfristig definitiv weniger im Portemonnaie haben.Noch aber bemühen sich alle, die Mitarbeiter zu motivieren, ihnen zu danken und zusätzlich anzuwerben. Was akut gegen einen Abschwung spräche. Kreative Lösungen wie der spektakuläre Personal-Deal von Aldi Süd mit Mc Donald´s findet viele Nachahmer. Zahlreiche Initiativen vor Ort sind ins Rollen gekommen. Händler buhlen zeitgleich mit der Landwirtschaft um Mitarbeiter aus der lokalen Gastronomie.
Lage im restlichen Handel spitzt sich zu
Während also im Lebensmitteleinzelhandel durch Kreativität Beschäftigungsverhältnisse verlagert werden, droht dem restlichen Handel eine Pleitewelle. So warnt der HDE vor dramatischen Entwicklungen in den von Zwangsschließungen betroffenen Nonfood-Segmenten. „Hier zählt jeder Tag“, sagt HDE Hauptgeschäftsführer Stefan Genth mit Blick auf die 300.000 Unternehmen des Einzelhandels mit fast drei Millionen Beschäftigten. Nonfoof-Filialisten wie Kik, Woolworth, Tedi, Takko und Roller haben sich mit Hilfegesuchen direkt an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gewandt.
Ernährungsindustrie: Erkrankungswelle wäre verheerend
Obwohl die Industrie derzeit 50 bis 80% höhere Anforderungen aus dem Handel bedient, gebe es dort kaum Personalprobleme. Und obwohl die Nachfrage nach „Hamsterware“ weiterhin hoch sei, entspanne sich die Lage im Gegensatz zur Vorwoche. „Wir gehen davon aus, dass sich die Situation in drei bis vier Wochen normalisiert“, hofft der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. Dr. Wolfgang Ingold. Allerdings unter dem Vorbehalt, „dass es nicht zu einer größeren Erkrankungswelle in Betrieben kommt.“
Droht also auch dem LEH der Abschwung? Wenn dieser weiterhin mit viel Engagement und Kreativität die Zeichen der Zeit liest und seine Kunden ähnlich begleitet wie in den ersten Wochen der Krise, wird auch hier sich ein neues „Normal“ etablieren.