Plastikverpackungen haben ausgedient. Davon sind mittlerweile nicht nur Wissenschaftler überzeugt. Der Wandel hin zu biologischen, wiederverwertbaren Verpackungen ist eine globale Notwendigkeit. Da ist es kein Wunder, dass die Nachfrage für alternative, biobasierte Verpackungslösungen stetig steigt. Einige davon kommen aus Finnland. Das Land der schier unendlichen Wälder bietet einzigartige, holzbasierte Innovationen, mit denen man die traditionellen Kunststoffverpackungen ganz einfach ersetzen kann.
Die Zahlen sind erschreckend: Fast 300 Millionen Tonnen Plastikmüll werden jedes Jahr weltweit produziert. 2018 fielen allein in der EU 174 Kilogramm Verpackungsmüll pro Einwohner:in an*, mit erschreckenden Folgen für unsere Umwelt. Daher hat die Europäische Kommission das Verpackungsrecycling zu einer ihrer obersten Prioritäten erklärt. Die ersten Anforderungen der Single-Use-Plastics-Richtlinie (kurz SUP), die bereits 2019 verabschiedet wurde, werden im Juli 2021 in Kraft treten. Der Wandel hin zu plastikfreien Verpackungen ist also bereits in vollem Gange. Nachhaltige, recycelbare, erneuerbare und kohlenstoffarme Ersatzstoffe sind auf dem Vormarsch.
„Die Verpackungsindustrie befindet sich an einem Wendepunkt, die Zukunft der Verpackungen ist vielseitiger, biobasiert und recycelbar. Länder und Unternehmen kündigen ehrgeizige CO2-Ziele an. Und so ist ein niedriges Emissionsniveau ein Muss für sämtliche Innovationen“, sagt Marika Ollaranta, Leiterin des Programms Bio and Circular Finland von Business Finland, Finnlands Organisation zur Förderung von Handel, Investitionen und Reisen sowie zur Innovationsförderung. „Finnland bietet hier eine große Auswahl an Alternativen für unterschiedliche Branchen und Bedürfnisse.“
Abfallprodukte aus der Holzindustrie sinnvoll nutzen
75 Prozent der Fläche Finnlands ist von Wald bedeckt. Forstwirtschaft und die holzbasierte Industrie sind also tief in der finnischen Gesellschaft verankert. Und weil man in Finnland schon immer großen Wert auf sinnvolle Weiterverarbeitung von Abfallprodukten aus der klassischen Holzindustrie legte, ist ein einzigartiges Angebot an biobasierten Lösungen entstanden. „Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir unsere eigenen, gut gepflegten Wälder, die alle globalen Waldbewirtschaftungsstandards erfüllen. Da hier auch der Rohstoff veredelt wird, sind die Verpackungsinnovationen oft schon umsetzungsreif und auf den vorhandenen Produktionsmaschinen voll anwendbar. Wir sind auch bekannt für die hohe Qualität und das breite Spektrum an Produkten, die branchenspezifische Anforderungen erfüllen. Wir haben ein ausgezeichnetes Know-how, wenn es um Holz geht. In Finnland lässt sich die komplette Wertschöpfungskette abdecken“, sagt Ollaranta.
Lebensmittel in holzbasierten Verpackungen
Vor allem die Lebensmittelindustrie verändert sich extrem schnell und ist daher eine der wichtigsten Branchen beim Übergang von traditionellen Kunststoffen zu Nicht-Kunststoffen. In Finnland ist dieser Industriezweig bereits weit vorangeschritten. Bis 2035 will die Branche die Treibhausgasemissionen um 75 Prozent reduzieren. Schon jetzt wird ein Großteil der von der Lebensmittelindustrie verwendeten Verpackungslösungen auf Holzbasis hergestellt. Was sie automatisch erneuerbar und recycelbar macht.
Zu den finnischen Experten, die bereits biobasierte Produkte herstellen, gehören Unternehmen wie Woodly, Kotkamills, Pyroll Packaging, Sulapac, Jospak und Fazer. Auch die Forschung im Bereich der Lebensmittelverpackungen ist in Finnland auf dem neuesten Stand. Das VTT Technical Research Centre of Finland beispielsweise testet zusammen mit den finnischen Unternehmen Arla Foods, Paulig und Wipak eine Thermocell-Folie aus Holzzellulose und Fettsäuren. Das erneuerbare Kunststoffmaterial hätte die gleichen Eigenschaften wie eine herkömmliche Kunststofffolie und würde die Anforderungen der Lebensmittelindustrie erfüllen, wenn es gleichzeitig recycelbar ist.
Das sind die Vorreiter für die nachhaltige Verpackungsindustrie
Eine Brottüte aus Haferspelzen von Fazer
Weltweit für seine Süßwaren und Schokolade bekannt, kennt man Fazer in Finnland vor allem für seine Backwaren. Die Fazer Bakery feiert in diesem Jahr nicht nur ihr 130-jähriges Bestehen, sondern hat kürzlich auch eine noch nie dagewesene Verpackungsinnovation herausgebracht: eine Brottüte aus Haferspelzen, die als Nebenprodukt des Fazer-eigenen Hafermahlprozesses anfallen. Die neuartige Brottüte besteht zu 25 Prozent aus Haferspelzen und kann als Kartonage recycelt werden. Diese Innovation ist international einzigartig. „Die neue Tüte vereint die Elemente der Fazer-Strategie: Verantwortung, Innovation und Experimentierkultur. Das Projekt war Teil des nachhaltigen Verpackungsprogramms von Fazer, mit dem wir die Menge an Verpackungsmaterial reduzieren und die Recyclingfähigkeit verbessern wollen. Außerdem umfasste das Programm die Entwicklung völlig neuartiger ökologischer Verpackungslösungen. Das ist Kreislaufwirtschaft vom Feinsten“, sagt Piia Soininen-Tengvall, Packaging Development Director bei der Fazer Group.
Kunststoffähnliche Verpackungsfolie aus Holz für Fleisch oder Kräuter von Woodly
Woodly ist ein Unternehmen für Materialentwicklungstechnologie, das ein neuartiges, transparentes, kunststoffähnliches Material auf Holzzellulosebasis herstellt: Woodly®. Es ist kohlenstoffneutral und das Rohholzmaterial stammt aus zertifizierten Wäldern. Das Material ist so konzipiert, dass es nach seiner Verwendung im Kunststoff-Recyclingstrom wiederverwertet werden kann. Woodly-Produkte sind in verschiedenen Materialqualitäten erhältlich und eignet sich so für unterschiedliche Kunststoffverarbeitungsmethoden und Endprodukte.
Das Unternehmen gab kürzlich eine Partnerschaft mit dem finnischen Fleischproduzenten HKScan bekannt, der ab Sommer 2021 als erster in der Kategorie Fleischprodukte in Finnland Woodly®-Material für die Verpackung seiner ausgewählten Grillwürste verwenden wird. Auch der finnische Salat- und Kräuterproduzent Vihreäkeiju verwendet Woodly® für seine Verpackungen. „Was Woodly von anderen unterscheidet, ist, dass es nicht versucht, Plastik zu ersetzen, sondern es aus nachwachsenden Rohstoffen herstellt. Anstatt das ganze Konzept „Plastik“ aufzugeben, sind wir das Problem von einer anderen Seite angegangen und haben die Rohstoffe ersetzt, aus denen es traditionell hergestellt wird. Die Woodly®-Maserung ist außerdem extrem vielseitig, was sie für Großkunden attraktiv macht“, sagt Jaakko Kaminen, CEO von Woodly.
Isolierfähige Pappbecher aus Abfällen des Sägewerks Kotkamills
Kotkamills, 1872 gegründet, ist Finnlands ältestes noch in Betrieb befindliches Sägewerk. Abfallprodukte des Sägewerks wie Holzspäne und Sägemehl bilden die Rohstoffe für andere Produkte des Unternehmens: Pappe und Rohkraftpapier. Die Pappe ist vollständig recycelbar, kann leicht wiederverwertet werden und ihre Fasern dienen am Ende wieder als Rohstoff für andere Papier- oder Kartonageprodukte. Die ISLA®-Islolierkartonagen von Kotkamills werden vor allem für Einwegbecher verwendet. In der Regel sind Einwegbecher aus Polyethylen-Kunststoff, oder zumindest damit beschichtet. Die nachhaltigen Becher von Kotkamills hingegen bestehen aus einzigartigen wasserbasierten, dispersionsbeschichteten Isolierplatten und sind vollständig recycelbar, biologisch abbaubar, industriell kompostierbar und natürlich komplett plastikfrei.
Sämtliche Produkte aus ISLA®-Isolierkarton können problemlos zusammen mit normalem Papier- und Kartonageabfall recycelt werden. „Unsere Produktkategorie besteht aus lebensmittelechten Konsumkartons, hochwertigem Basiskraftpapier und ökologischen Holzprodukten. Im Moment sind wir der einzige industrielle Hersteller von kunststofffrei beschichtetem Verpackungskarton für die Lebensmittelindustrie und das Potenzial ist riesig“, sagt Markku Hämäläinen, CEO von Kotkamills.
Die größte Auswahl an biobasierten Verpackungslösungen von Pyroll Packaging
PyrollPackaging bietet umfassende Lösungen für Verpackungen und Verpackungsmaterialien, vom Design und der Co-Kreation bis zur Herstellung und Lieferung von gebrauchsfertigen Verpackungsmaterialien. Die Auswahl an Verpackungslösungen ist eine der größten in den nordischen Ländern. Die PyrollGreen-Produktfamilie des Unternehmens bietet preisgekrönte nachhaltige und recycelbare Verpackungsalternativen aus biobasierten Fasern für Back- und Molkereiprodukte, Süßwaren, verarbeitetes Fleisch und Fertiggerichte, Fast Food und Food-on-the-go, wie Salate, Hamburger, Pommes Frites und Hotdogs. „Unsere Kompetenz liegt im Gesamt-Know-How und darin, verschiedene Materialien zu kombinieren und neue Lösungen zu finden, um das bestmögliche Produkt für den Kunden zu schaffen“, sagt Tapani Holappa, Sales Director von Pyroll Packaging.
Biologisch abbaubare Isolierverpackungen für wasserbasierte Kosmetika von Sulpac
Das 2016 gegründete Unternehmen Sulapac bietet ein nachhaltiges Material, das aus Holzspänen, die als Abfallprodukt in der Industrie anfallen, und verantwortungsvoll beschafften pflanzlichen Bindemitteln hergestellt wird. Es baut sich biologisch ab, ohne Mikroplastik zu hinterlassen. Sulapac ist ideal für verschiedene Anwendungen, von einfachen Konsumgütern bis hin zu Luxusverpackungen. Es ist GMO-frei und nach EU-Standards für den Lebensmittelkontakt zugelassen. Das Unternehmen wurde von Wired UK als eines der 100 heißesten Start-ups in Europa in den Jahren 2018 und 2019 eingestuft. Erst kürzlich kündigte das Unternehmen eine neue bahnbrechende Innovation an: eine biobasierte Isolierverpackung, geeignet für wasserbasierte Kosmetika. „Wir machen den Umstieg von herkömmlichen Kunststoffen so einfach wie möglich. Das macht unser schönes, funktionales und nachhaltiges Sulapac zu einer ansprechenden Alternative von Kunststoffprodukten“, sagt Suvi Haimi, CEO und Mitbegründer von Sulapac.
Kartonschalen für Fertiggerichte mit sehr niedrigen CO2-Werten von Jospak
Jospak’s Flaggschiffprodukt Jospak®-tray kombiniert die besten Eigenschaften von Karton und Kunststoff. Die Schale wird aus erneuer- und recycelbarem Karton hergestellt und hilft, die Menge an Kunststoffen um bis zu 85 Prozent zu reduzieren. Das Produkt eignet sich unter anderem für frische und verarbeitete Lebensmittel sowie Fertiggerichte in Schutzatmosphärenverpackungen. Eine kürzlich durchgeführte Analyse des CO2-Fußabdrucks der Schale ergab rekordverdächtig niedrige Werte von 57,3-74,0 g CO2 pro Stück, was im Vergleich zu entsprechenden Kunststoffschalen deutlich niedriger ist. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, die Umweltbelastung durch die Weiterentwicklung von Produkt, Technologie und Betrieb noch weiter zu reduzieren.
Jospak plant, im Jahr 2021 eine neue, leimfreie Kartonschale auf den Markt zu bringen. „Unsere jüngsten Investitionen in neue Anlagen ermöglichen die Erhöhung der Produktionskapazität und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für internationale Märkte. Unser Ziel ist es, führender Hersteller von Lebensmittelverpackungen und Pionier der Kreislaufwirtschaft zu werden. Wir beliefern bereits Kunden in Finnland, den nordischen Ländern und Mitteleuropa. Und freuen uns darauf, unsere internationalen Aktivitäten offiziell in größerem Umfang zu starten“, sagt Tarja Heikkilä, Vertriebs- und Marketingdirektorin von Jospak.