Das Thema Regionalität ist aktuell. Großmärkte wie auch Lebensmittelgeschäfte verzeichnen einen steigende Nachfragen nach Erzeugnissen aus unmittelbarer Nähe. Auch die Hofläden freuen sich über einen Kundenzuwachs. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie nimmt dieser Trend noch zu. Hierbei ist auch das Thema Umweltschutz durch reduzierte Lieferwege ein wichtiger positiver Faktor. Wieso können nicht alle in ihrem Umfeld produzieren und allein die eigene Region ernähren? Ein Forschungsteam mit Göttinger Beteiligung untersucht Entfernung zwischen Produktion und Konsum. Es stellt fest, dass regionale Nahrungsmittel weniger als ein Dritte der Weltbevölkerung ernähren kann.
Die Untersuchung der Universitäten Aalto und Göttingen
In der Debatte um die Nachhaltigkeit von Nahrungsmittelproduktion und -konsum schlagen viele vor, den Anteil regional erzeugter Produkte zu erhöhen. Es ist aber weitgehend unbekannt, wie hoch dieser Anteil sein kann, wenn der gegenwärtige Bedarf an Nahrungsmitteln gedeckt werden soll. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Aalto (Finnland) mit Beteiligung der Universität Göttingen hat Modellergebnisse und Daten zu Produktion und Konsum von Nahrungsmitteln analysiert. Durch Anwendung eines Optimierungsansatzes minimierten die Forscherinnen und Forscher die Entfernung oder die Transportdauer zwischen Produktion und Konsum weltweit. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Food erschienen.
Die Ergebnisse sind ernüchternd
Das Team zeigte, dass in Abhängigkeit von den untersuchten Feldfrüchten 11 bis 28 Prozent der Weltbevölkerung ihren Bedarf regional in einem 100-Kilometer-Radius befriedigen könnte. Für 26 bis 64 Prozent beträgt die Entfernung zum Ort der Nahrungsmittelproduktion mehr als 1000 Kilometer. Die Hälfte der Weltbevölkerung könnte ihren Bedarf für Getreidearten aus dem gemäßigten Klima wie Weizen, Gerste oder Hafer in einer Entfernung unter 900 Kilometern decken. Für ein Viertel der Weltbevölkerung beträgt die minimale Entfernung mehr als 5200 Kilometer. Demgegenüber könnte die Versorgung mit Mais regionaler erfolgen: Der globale Mittelwert der Entfernung zwischen Produktion und Konsum beträgt 1300 Kilometer. „Höhere Erträge und verringerte Nahrungsmittelverluste würden die Entfernung zwischen Produktion und Konsum von Nahrungsmitteln verringern, insbesondere in Afrika und Asien“, erläutert Prof. Dr. Stefan Siebert vom Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität Göttingen, der an der Studie beteiligt war. Dennoch bleiben internationale Handelsflüsse essentiell, um den Bedarf an Nahrungsmitteln weltweit zu decken.
Dr. Siebert zieht ein Fazit
„Die Ergebnisse zeigen, dass Nahrungsmittel fast überall über große Entfernungen transportiert werden müssen, um die Versorgung der Bevölkerung bei den heutigen Ernährungsgewohnheiten sicherzustellen“, so Siebert. „Handels- oder Transportbeschränkungen, zum Beispiel als Folge der Ausbreitung von Epidemien, könnten gefährlich sein, zu Hunger führen oder die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten zwingen, sich anders zu ernähren.“
Originalveröffentlichung: Pekka Kinnunen et al. Local food crop production can fulfil demand for less than one-third of the population. Nature Food (2020).
Der umfangreiche Bericht lässt sich in der freien Leseversion hier nachlesen. Doi:hier